Die Bildbearbeitungssoftware erlaubt das "Verschwindenlassen" von bewegten Objekten
Mit Neat projects hat der Franzis Verlag eine Software vorgestellt, welche Aufnahmen in einigen Situationen deutlich erleichtern soll. Denn wer kennt folgende Situation nicht? Man befindet sich beispielsweise vor einer Sehenswürdigkeit und möchte diese fotografieren. Immer wieder verdecken aber Personen oder Autos teilweise das Motiv. Natürlich wäre es theoretisch möglich, den passenden Moment abzuwarten, bis das Motiv ohne störende Objekte aufgenommen werden kann. Oder alternativ mit etwas Handarbeit in Photoshop den „Störenfrieden“ zu Leibe zu rücken. Beides ist allerdings meistens zeitaufwendiger, weshalb man sich oft mit einem nicht ganz perfekten Bild zufrieden gibt. Hier möchte Neat projects weiterhelfen, denn ein Algorithmus berechnet aus mehreren Aufnahmen ein Bild mit möglichst wenigen Störungen. Wir haben die Software einem Praxistest unterzogen.
Allgemeine Informationen:
Neat projects vom Franzis Verlag lässt sich in zwei Versionen erwerben. Neben der Professional-Version mit allen Funktionen wird auch eine Standardfassung angeboten. Hier müssen die Käufer auf manche Features wie zum Beispiel einen integrierten RAW-Konverter oder besonders viele Berechnungs-Algorithmen verzichten. Wir testen Neat projects daher in der Professional-Version. Wie üblich bei den Softwarelösungen vom Franzis Verlag kann Neat projects sowohl auf Windows-PCs als auch auf Rechnern mit Mac OS X installiert werden.
Die herunterzuladende Datei ist mit 53MB vergleichsweise klein und beinhaltet die Installationsprogramme für Windows und Mac OS X. Als Systemvoraussetzungen werden ein Zweikernprozessor sowie 2GB Arbeitsspeicher angegeben, auch auf älteren Computern sollte die Software daher problemlos einsetzbar sein. Neben dem Betrieb als Standalone-Software ist der Einsatz bei Adobe Photoshop Lightroom ab Version 4.0 als Plugin möglich. Für Photoshop gibt es aktuell noch keine Lösung.
Die Software:
weniger als drei Bilder zu einer Warnung durch die Software führen. Für bessere Ergebnisse sollten zweifellos mehr Bilder vorhanden sein. Bis zu 100 Bilder pro Motiv lassen sich in der Professional-Version verwenden, maximal 30 sind es bei der Standardversion. Selbst mit 30 Aufnahmen sollte man aber im Regelfall gut auskommen können. Die Professional-Version erlaubt das Nutzen von RAW-Aufnahmen, bei der Standardversion ist kein RAW-Konverter integriert. Die RAW-Bilder aller gängigen Kameramodelle ließen sich in unserem Test importieren, dazu gehörten Aufnahmen der Kompaktkameras Sony Cyber-shot DSC-RX100 IV (Testbericht)
Neat projects vom Franzis Verlag analysiert die eingeladenen Bilder mit verschiedenen Algorithmen. Diese erkennen bewegte Motive und entfernen jene automatisch – sofern genügend Bildmaterial zum Ersetzen der fehlenden Stellen vorhanden ist. Insgesamt stehen zur Berechnung der Aufnahmen sechs Motion-Detection-Algorithmen (bei der Standardversion nur drei) zur Verfügung. Der Einsatz eines Stativs ist laut eigener Aussage vom Franzis Verlag zum Erstellen der Bilder nicht notwendig, die Ausrichtung der Einzelbilder übernimmt Neat projects automatisch.
Nachdem eine Bildsequenz berechnet wurde, werden weitere Eingriffsmöglichkeiten angeboten. Zum einen ist es in der rechten Werkzeugleiste möglich, den Bewegungs-Algorithmus zu bestimmen. Zur Wahl stehen hier „Langzeitbelichtung“, „Bewegung entfernen (Multipass)“, „Bewegung entfernen (Helligkeit)“, „Bewegung entfernen (Farbe)“, „Bewegung entfernen (Matrix)“ sowie „Bewegung addieren“. Für alle Fälle, in denen bewegte Objekte entfernt werden sollen, sind natürlich die Bewegung-entfernen-Algorithmen gedacht. Diese erlauben das Optimieren der Berechnung, falls die vom Programm gewählten Voreinstellungen nicht alle Objekte entfernen konnten.
Die Voreinstellung „Langzeitbelichtung“ kombiniert alle Bilder und erstellt eine Aufnahme, die in etwa den Look einer Mehrfachbelichtung besitzt.
Der Algorithmus „Bewegung addieren“ soll das genaue Gegenteil von den Bewegung-entfernen- Algorithmen bewirken. Hier werden alle Bilder so zusammengerechnet, dass möglichst viele bewegte Objekte zu sehen sind.
Sind diese Eingriffsmöglichkeiten nicht ausreichend, lassen sich über die Option „Bildsequenz bearbeiten“ in der oberen Werkzeugleiste weitere Einstellungen vornehmen. Hier kann die Helligkeit der einzelnen Bilder angepasst werden, und es ist möglich, einzelne Aufnahmen aus einer Sequenz zu entfernen. Des Weiteren können Fotografen auf die Berechnung der Algorithmen weiteren Einfluss nehmen. Dazu stehen vier Slider für die Parameter „Radius, „Glättung“, „Bewegung“ und „Schwankung“ zu Verfügung.
Sollen einzelne Bilder speziell bearbeitet werden, lässt sich das Werkzeug „Gewicht bearbeiten“ verwenden. Dieses erlaubt das Markieren einzelner Bildbereiche einer Aufnahme per Pinsel. Die markierten Bereiche lassen sich verstärken oder in der Gewichtung reduzieren. Hiermit können beispielsweise nicht ganz perfekt berechnete Stellen optimiert werden. Sollte die Aufnahme problematische Zonen besitzen, sind diese Einstellungsmöglichkeiten recht hilfreich. In der Praxis lädt dieses Werkzeug zum Experimentieren ein, kostet gleichzeitig aber auch deutlich mehr Zeit als die automatische Berechnung.
Die obere Werkzeugleiste von Neat projects beherbergt außerdem das RAW-Entwicklungsmodul, das die Bearbeitung von RAW-Aufnahmen in den üblichen Parametern erlaubt. Eine Histogrammanzeige oder Optionen zum Drehen des Bildes sind ebenso vorhanden. Der Bildsequenz-Player ermöglicht darüber hinaus eine schnelle Wiedergabe von Einzelbildern der Sequenz, und die sogenannte Motion-Map zeigt die Bewegungsabweichungen der Einzelbilder an.
Zu den weiteren Optionen von Neat projects gehört ein Optimierungs-Assistent. Dieser verändert allerdings nicht die Bewegungsberechnung der Aufnahme, sondern nur das Aussehen. Damit kann man beispielsweise die Entrauschung, die Klarheit oder die Schärfe anpassen. Lokale Anpassungen können per Selektiv-zeichnen-Werkzeug vorgenommen werden, und über die (teilweise von anderen Franzis-Programmen bekannten) Presets lassen sich gleich mehrere Eigenschaften mit einem Mausklick verändern. Hier stehen unter anderem Voreinstellungen mit den Namen „Clarity“, „Schatten“, „Farbenfroh“ oder auch „Sepia“ zur Verfügung.
Der Praxistest:
Als ersten Praxistest haben wir Bilder von einem Stativ mit der Serienbildfunktion aufgenommen. Die von uns verwendeten 30 Bilder besitzen ausreichend freie Stellen, um einen guten Berechnungsvorgang zu gewährleisten. Bis auf kleine schemenhafte Autos am Ende der Straße kann das Ergebnis als sehr gelungen bezeichnet werden. Da wir die Standardeinstellungen verwendet und keine weiteren Eingaben vorgenommen haben, ließ sich das Ergebnisbild in Neat projects in unter einer Minute erstellen.
Selbe Straße, aber anderer Winkel. Zudem haben wir beim zweiten Testbild auf den Einsatz eines Stativs verzichtet und die Bilder per Serienbildfunktion aus der Hand geschossen. Auch in diesem Fall berechnet die Software ein größtenteils gelungenes Bild, das Verwenden eines Stativs scheint wie beworben nicht nötig zu sein.
Unser Fazit:
Neat projects vom Franzis Verlag verspricht eine deutliche Vereinfachung beim Erstellen von Bildern von beispielsweise Sehenswürdigkeiten oder Plätzen ohne störende Personen oder andere Objekte, die sich bewegen. In unserem Praxistest konnte das Versprechen eingehalten werden, denn sofern ausreichend Bildmaterial zur Verfügung steht, lässt sich ein überzeugendes Bildergebnis erzielen. Dies gilt zumindest für die Bewegung-entfernen-Funktion. Die ebenso angebotenen Optionen „Langzeitbelichtung“ und „Bewegung addieren“ wissen weniger zu gefallen. Da diese nicht die Hauptaufgabe der Software darstellen, kann man über diese kleineren Mängel aber eigentlich hinwegsehen. Loben muss man bei Neat projects die einfache Handhabung und auch, dass an zusätzlichen Optionen nicht gespart wurde. Mit Letzteren können die Aufnahmen per Hand optimiert werden. Ebenso gut: RAW-Bilder lassen sich verwenden und vor der Berechnung entwickeln.
Letzten Ende ist allerdings auch Neat projects kein Zauberprogramm und vom zur Verfügung stehenden Bildmaterial abhängig. Von einem stark besuchten Platz schnell vier oder fünf Bilder zu machen und danach per Software eine optimale Aufnahme berechnet zu bekommen, dürfte kaum möglich sein. In diesem Punkt ist der Fotograf weiterhin auf sich allein gestellt und sollte die Aufnahme gut überdenken.