Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Es gibt Foren, die allen ernstes ihren Besuchern einen „Objektivtest“ empfehlen, in dem ein Geldschein fotografiert werden soll. Ich nenne mal keinen Namen. Andere lassen auf einem Tisch eine Reihe von Batterien hintereinander aufbauen, um zu sehen, wie der Autofoku damit klar kommt und wie die allgemeine Schärfe des Objektives sei. Nur, was hat das mit der Praxis zu tun? Solche „Tests“ haben den Nahbereich im Blick. In der alltäglichen Fotografie ist man deutlich mehr als einen Meter von seinem Motiv entfernt. Und das ist für jede Optik etwas vollkommen anderes.
Wenn man ein Objektiv testen möchte, dann nehme man eine Häuserwand mit grober Struktur in den Sucher. Man richte die Kamera möglichst gerade auf die Wand, das heißt, alle Bildecken haben die gleiche Entfernung. Und dann macht man ein Bild. Da das mit der gleichen Entfernung so ungenau ist, noch ein Hinweis: bei kleinen Sensoren ist es ziemlich unwichtig, ob man 3 oder 4 Meter Abstand hat, denn der Abbildungsmaßstab liegt schon recht nah bei unendlich. Ernsthafte Tests nutzen eine Entfernung von 3 Meter für Spiegelreflexkameras.
Und nun fehlt noch ein Vergleich. Denn anders als in Labor-Tests wird bei diesem Test nicht die Auflösung in Linien oder Linienpaaren zur Bildhöhe gemessen, die lediglich ausgezählt werden müssten. Hier braucht man einen Maßstab für den optischen Vergleich. Dazu wäre das Bild einer andere Kamera mit den selben Motiv bei fast gleichen Lichtbedingungen geeignet, bei der der Abstand und der Bildausschnitt möglichst ähnlich gewählt ist. Das Auge ist mindestens so gut wie ein Linien zählendes System.
Deshalb sollte man sich beim Betrachten auch etwas zutrauen. Schon auf den ersten Blick sieht man, wie die Schwachstellen eines jeden Objektives sich verhalten. Das sind die Bildecken. Da sieht man leicht jeden Schärfeverlust. Was man nicht mehr sehen kann, dass ist der Abfall der Beleuchtung zu den Bildecken, also der so genannte „Randabfall“. Mittlerweile hellen alle Hersteller die Bildecken mit der Elektronik auf. Dadurch wird zwar die Bildschärfe nicht besser, aber es fällt nicht so auf, sobald die dunklen Ecken vermieden werden. Die Bildmitte ist aber immer ein guter Vergleich für die Leistungsfähigkeit des gesamten System.
Was macht man also, wenn eine Kamera eine deutlich schwächere Leistung als eine andere hat? Zurückgeben? Das könnte man tun. Und es wäre vernünftig. Doch ein gleiches Modell ist nicht automatisch besser. Obwohl die Streubreite in der Produktion recht groß ist und man ein besseres Modell erwischt haben kann, sind die Ursachen für ein „schwaches“ Objektiv auch woanders zu suchen. Dabei ist das Zusammenwirken von Bildsensor und Software und Objektiv zu einer Gesamtleistung ein schwieriges Feld, aus dem sich nicht erschließen lässt, woran es denn nun liegt, was man als unbefriedigendes Bildergebnis vor sich hat. Was man aber sagen kann: mit einer Vergleichsaufnahme lässt sich sagen, ob man die Kamera behält oder besser zurück gibt.
Nur zu solchen vergleichenden Aussagen kommen übrigens alle Tests. Man vergleicht nämlich nicht die absolute Qualität einer Optik, sondern das Zusammenwirken der Komponenten. Der einzige Test nur für Objektive, den es in Deutschland gibt, ist der „BAS“-Test aus einem Münchner Labor, der auch in dem „Foto-Magazin“ veröffentlicht wird. Doch deren Testergebnisse kann ich aus anderen Gründen nicht empfehlen, weil die Testobjekte alle handverlesen sind und mit den Produkten am Markt wenig zu tun haben müssen. Ein getestet Objektiv kann an einer Kamera sich gut und an der anderen nicht unbedingt so gut verhalten, schon weil der Bildsensor ein anderer ist.
So kann auch ein Test bei dkamera.de nicht als absolut gesehen werden, sondern ist relativ. Die Ergebnisse sind ein Vergleich der Modelle, mit ihrer Abbildungsleistung und vielen anderen wichtigen Zusammenhängen. Aber, kein allgemeiner Test kann sagen, wie absolut eine Kamera funktioniert, die man in der Hand hält. Und deshalb, schon wenn man genau wissen will, ob die gekaufte Kamera das hält, was man sich erwartet, sollte man den Vergleich mit anderen heran ziehen. Zur ersten Orientierung dient ein allgemeiner Test, wie Sie ihn hier bei dkamera.de finden. Ein individueller Test, besonders der vor oder direkt nach dem Kauf, ist jedoch nicht zu ersetzen.
Also gilt, wer sein Objektiv testet, der oder die testet immer die Gesamtleistung einer Kamera. Und dazu verhelfen Bilder unter realistischen Bedingungen.
Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.