Warum die Farbe Blau "geraten" wird

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Alle Digitalkameras zeigen im Vergleich zum Film einen wesentlichen, qualitativen Unterschied, wenn es um die Farbwiedergabe geht. Während beim Filmmaterial die lichtempfindliche Schicht rund fünfzig Jahre brauchte, um nicht nur blau, sondern auch grünempfindlich zu werden (1884 als orthochromatisch bezeichnet) und seit 1902 dann ähnlich empfindlich für alle Farben wurde (panchromatisch), ist dies bei den Bildsensoren noch nicht erreicht.

Die digitale Bildaufzeichnung steckt ähnlich der ersten Jahrzehnten der Fotochemie noch in den Anfängen. Bei Bildsensoren ist die Empfindlichkeit für Farben umgekehrt. Die roten Farben werden deutlichst bevorzugt. Die geringste Empfindlichkeit zeigt sich bei Blautönen. Während die Bildsensoren die roten Farben sehr differenziert wiedergeben und schnell zur Überbelichtung neigen, wird die schon deutlich geringere Empfindlichkeit für grüne Farben mit doppelten Photodioden mit der Bayer-Matrix etwas abgeholfen. Dabei bleibt die Farbe Blau bei jeder Aufnahme jedoch deutlich unterrepräsentiert.

Man kann es auch anders sagen: Bei jeder Aufnahme ist der Rotkanal schnell übervoll, während die blauen Farbanteile gar nicht gleichwertig aufgezeichnet werden können. Damit erklärt sich eine große Farbabweichung bei blauen Himmelstönen, sobald man die Fotos von unterschiedlichen Kameras vergleicht. Und wenn in einem Motiv schon wegen einer Beleuchtung kaum noch blaue Farben reflektiert werden, sind die entsprechenden Farbinformationen auf einem Bildsensor eher gar nicht vorhanden. Es wird wohl noch einige Jahre bis sogar Jahrzehnte dauern, um die drei Farben Rot, Grün und Blau gleichwertig aufzunehmen. Bisher ist nicht einmal in der Theorie eine digitale Bildaufzeichung in Sicht, die gleichmäßige Farbanteile wiedergeben könnte.

Die Korrektur der Farben geschieht in den Kameras. Jeder Hersteller hat dafür seine Software, um Farben so zu errechnen, dass zumindest für Aufnahmen mit Tageslicht so etwas wie ein Farbgleichgewicht entsteht.

Bei Kunstlicht funktioniert das bei keiner digitalen Kamera wirklich gut. Farbstiche sind überall zu finden. Das zeigen alle Tests. Entweder sind die Farben bei Kunstlicht rötlich oder nach Orange verschoben. Man kann sich nun leicht vorstellen, dass dies mit den Bildsensoren und der Korrektur in den Kamera zusammen hängt. Und man kann sich vorstellen, dass die fast vollständig fehlende Wiedergabe von blauen Farben aus den geringen Lichteindrücken der Photodioden resultiert. Es ist keineswegs übertrieben die Qualität der blauen Farben eines Fotos als „geraten“ zu bezeichnen. Denn um eine an die natürlichen blauen Farben angenäherte Farbwiedergabe zu erreichen, fehlt eine ausreichende Farbinformation.

Warum ist beim Licht von Glühlampen oder dem von Neonleuchten keine gute Farbwiedergabe vorhanden bzw. nicht einmal zu errechnen? Nun, zusätzlich zur unausgewogenen Farbwiedergabe der Bildsensoren tritt ein weiterer, negativ wirkender Effekt hinzu. Stärker als beim Film sind die Übergänge zwischen den drei Farben viel deutlicher begrenzt. Es geht hierbei um die so genannten „Nebendichten“ jener kleinen, optischen Farbfilter vor den winzigen Photodioden. Während sich beim Film mithilfe chemischer Zugaben die Übergänge zwischen den Farben Rot, Grün und Blau deutlich überlappen, unterscheiden und trennen die Farbfilter der Bayer-Matrix die drei Farben recht eindeutig. Die Nebendichten werden dadurch gering und sind auch noch ungleichmäßiger als beim Film. Der Übergang gerade zur Farbe Blau ist fast nicht vorhanden, schon weil die Bildsensoren selbst wie ein strenges Filter wirken, das insbesondere rotempfindlich ist. Da nutzt es auch nichts, dass die Bayer-Matrix - einmal rot, zweimal grün und einmal blau zusammen ein Farbpixel ergeben - beim Gebrauch der Kamera die Qualität der winzigen Farbfilter allmählich abnimmt, wie dies bei jedem optischen Farbfilter als Alterungsprozess geschieht. Hierbei werden lediglich die roten Farbanteile verstärkt hervor treten. Wie schnell jedoch die Farbfilter einer Bayer-Matrix ausbleichen ist das große Geheimnis der Hersteller.

Insgesamt kann man aber festhalten, dass die Farbe Blau wegen der geringen Lichtmenge sich kaum vom Grundrauschen eines Bildsensors abhebt. Nun kann diese geringe Farbinformation aber nicht einfach verstärkt werden, denn farbige Störmuster werden damit ebenfalls angehoben, wie dies bei jedem Verstärken von Signalen, ähnlich dem Anheben einer Lautstärke beim Radio und damit der Nebengeräusche geschieht. Die Farbe Blau würde so nicht besser nutzbar. Man kann den umgekehrten Weg gehen. Gibt es eine geringe Menge von blauen Farbanteilen, denn werden diese durch die Software der Kamera hinzu gerechnet. Damit wird vermieden, das Grundrauschen anzuheben. Aus den winzigen Unterschieden der Farbe werden neue blaue Farbunterschiede errechnet. Das diese von der ursprünglichen Farbe stark abweichen, fällt uns weniger auf, weil wir Menschen in diesem Bereich des Farbspektrums nicht so gut unterscheiden können. Klar, wir wissen, dass da eine blaue Farbe war, aber wie natürlich oder unnatürlich diese wirkt, wird uns nicht so leicht bewusst, wie dies etwa bei grünen oder insbesondere bei Hauttönen auffallen kann. Oder anders formuliert: Bei blauen Farben sind wir Menschen recht tolerant und erkenne Farbabweichungen geringer.

Es kann noch viele Jahre dauern, bis ein Bildsensor das Farbspektrum natürlicher bzw. ähnlich ausgewogen wie der Film wiedergibt. Da Glühlampen oder Neonleuchten kein blaues Licht enthalten, werden die fotografierten Gegenstände keine richtigen blauen Farbanteile reflektieren. Unser Gehirn lässt sich davon täuschen und korrigiert den Farbeindruck. Ein Bildsensor kann dies nicht und die Software einer Kamera ist damit überfordert.

Hier kommt nun eins zum anderen. Deshalb ist es keineswegs eine Verfälschung, wenn in jenen Fotos die unter künstlichem Licht entstanden, mithilfe einer Bildbearbeitung jene Bildanteile so farbig verändert werden, wie es dem natürlichen Eindruck entspricht. Hierbei kann die zusätzliche Einfärbung mit blauen Farben nicht einfach als Manipulation bezeichnet werden, denn die Unvollkommenheit der heutigen Bildsensoren ist nun mal eindeutig.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

*Diese Links führen zu Amazon- oder anderen Online- Angeboten, keine Verfügbarkeitsgarantie, keine Garantie auf günstigsten Preis, Preise können variieren, Preise inkl. MwSt. / evtl. zzgl. Versandkosten, alle Angaben ohne Gewähr.

Seit wann wird aus zweimal …

Seit wann wird aus zweimal grün, einmal rot und einmal blau ein Pixel?

Daraus werden 4 Pixel, siehe Wikipedia.

Warum werden "Fakten" geraten? Ich …

Warum werden "Fakten" geraten?

Ich verfolge nun schon seit einiger Zeit die Beiträge von dir hier auf Dkamera.de. Und so nützlich und richtig deine Praxistipps oftmals sind, so überflüssig und falsch sind leider manchmal deine Artikel bei theoretischen Themen. Der obige macht da keine Ausnahme., und das finde ich ehrlich gesagt etwas Schade. Das Internet ist schon voll von vielen Halbwahrheiten und Halbwissen, da hilft es in meinen Augen auch nicht, wenn dies so weiter verbreitet wird.

meine 2 Cent
Gruß
Alex

Warum jede Farbe "geraten" wird …

Warum jede Farbe "geraten" wird

Ich kann nicht verstehen, warum die Kritik an diesem Beitrag gelöscht wird. Sie ist vollkommen gerechtfertigt. Aufbauend auf der Tatsache, dass die Empfindlichkeit von aktuellen MOS- und CCD-Sensoren im blauen Spektralbereich schlechter ist (bis zum Faktor 2.5) als im roten und grünen Bereich entwickelt sich eine abstruse Theorie. Inhaltliche Punkte sind fehlerhaft oder diskussionswürdig:
- nicht bei alle Bildsensoren ist der Blaubereich unempfindlicher, im Gegenteil: der Foveon-Sensor wäre konstruktionsgemäß sogar sehr ausgeglichen, die Farbtrennung ist jedoch bei den aktuellen Modellen zu ungenau. Deswegen weißt dort der Blaukanal die höchste Signalstärke auf
- selbstverständlich sind auf dem Sensor keine blauen Informationen vorhanden, wenn das Lichtspektrum keinen entsprechenden Bereich zur Reflektion bereithält. Dies trifft aber auf Rot und Grün genauso zu
- natürlich gibt es Technologien oder theoretische Lösungen, die eine gleichmäßige Aufzeichnung ermöglichen. Neben dem angesprochenen Foveon-Sensor existieren auch Patente zu größenvariierenden Pixeln. Ebenso reduzieren neue Technologien und die Einführung neuer Farbkanäle (Cyan) die Farbunterschiede.
- das sich die Farbe Blau kaum vom Grundrauschen des Sensors abhebt ist absurd. Bei den aktuellen Sensoren entspricht der Unterschied zwischen Rot und Blau selbst knapp eine Blende. Würde die Darstellung korrekt sein, könnte man bei Empfindlichkeiten über ISO200 (bei einer Grundempfindlichkeit von ISO100) keine Farben mehr unterscheiden!
- die Verdoppelung der "grünen" Pixel ist keine Methode, um deren Unempfindlichkeit (wie hier dargestellt wurde) auszugleichen, sondern um die Farbgenauigkeit im grünen Bereich zu erhöhen, da dieser für das menschliche Auge besonders sensibel ist.
- die Darstellung, das Glühlampen kein blaues Licht enthalten, ist falsch. Glühlampen enthalten ein kontinuierliches Spektrum mit dem kompletten wahrnehmbaren Lichtspektrum, es gibt lediglich einen höheren Rot-Anteil als dies zum Beispiel beim direkten Sonnenlicht der Fall ist. Neonlampen hingegen enthalten tatsächlich kein blauen Lichtanteil, sind außerhalb von Lichtwerbungen und Spezialanwendungen selten zu finden. Die wohl gemeinten Leuchtstoffröhren enthalten sehr wohl einen blauen Lichtanteil, allerdings kein kontinuierliches Spektrum

Fazit: Mit der jetzigen Technik muss ausnahmslos jede Farbe "geraten" bzw. interpoliert werden. Das blau stellt dort keine Ausnahme dar, es weißt lediglich bei typischen Bayer-strukturierten Sensoren eine höhere Rauschempfindlichkeit auf.

Liebe Kommentatoren. An dieser Stelle …

Liebe Kommentatoren.
An dieser Stelle kann ich die technischen Grundlagen, wie diese von mir beschrieben wurden, nur bekräftigen.
Jeder Bildsensor ist überwiegend für die Farbe Rot und Infrarot empfindlich, in geringerem Maße für Grün und noch deutlich weniger für Blau. Eine andere Ansicht ist Wunschdenken und entspricht in keiner Weise den Gegebenheiten. - Wie man auf den Faktor 2,5 kommt? Der ist im Grenzbereich des Übergang von Grün nach Blau gegeben.
Die Grundlagen zur spektralen Empfindlichkeit von Bildsensoren gibt es überall im Internet zum Nachlesen. Hier habe ich einen häufiger zitierten Grundlagenbeitrag als Link:
http://www2.informatik.hu-berlin.de/~goehring/papers/ccd-vs-cmos.pdf
Seite 26 unten: "Die Durchlässigkeit von Polysilizium wird für Wellenlängen unterhalb von 600 nm immer geringer. Für Photonen mit 400 nm Wellenlänge ist das Material undurchdringlich" - das ist im tiefen Blau.
Man sehe auf der Seite 28 die Abbildung 5.9 an. "Front illuminated CCD" entspricht den Bildsensoren in der derzeitigen Kameratechnik. Erkennbar am Kurvenverlauf ist, wie sehr die Farbe Blau erheblich weniger zur Gesamtinformation eines Bildsensores beiträgt. Da diese Farbe deutlich verstärkt werden muss ist das Rauschen erheblich höher. Nun, da auch für CMOS die Silizium-Technik gilt ist die Variation in der spektralen Empfindlichkeit nicht wirklich abweichend vom CCD.
Aber na ja, man mag auch diese Darstellung für nicht aussagefähig halten, schließlich verfasste der Autor Daniel Göhring diesen Beitrag "lediglich" als Abschlussarbeit zur Erlangung seines Diploms an der Humboldt Universität Berlin, und dann noch in 2002. Seither jedoch hat sich nichts wesentlich geändert: die Strukturen wurden kleiner, die Mikrolinsen besser angepasst, der Ausleseprozess optimiert.

  • Keine HTML-Tags erlaubt
  • Zeilen und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • URLs und Email-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
  • Kommentare werden erst nach Moderation freigeschaltet, wenn die Regeln befolgt wurden. Dies kann etwas Zeit in Anspruch nehmen. Wir bitten um Ihr Verständnis.
  • Felder mit rotem Stern müssen korrekt ausgefüllt werden.
  • Bitte füllen Sie das CAPTCHA aus, dieses dient als Spam-Schutz. Lösen Sie einfach die im Bild angegebene mathematische Gleichung.
  • Mit dem Absenden dieses Formulars erklären Sie sich ausdrücklich damit einverstanden, dass die von Ihnen erhobenen und eingesendeten Daten für die Bearbeitung Ihrer Anfrage elektronisch erhoben und gespeichert werden. Diese Einwilligung kann jederzeit mit einer Nachricht an uns widerrufen werden. Weitere Informationen entnehmen Sie unserer Datenschutzerklärung.
captcha

x