Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Hauptsache bunt und scharf, so urteile ich gelegentlich über diejenigen, die keine größeren Ansprüche an Fotos haben. Doch es ist nicht alles bunt, was farbig daher kommt. Jemand schrieb mir eine E-Mail über eine Gruppe von Hobby-Fotografen mit künstlerischem Anspruch, dass das Wort "bunt" abwertend gemeint sei. Genau betrachtet, jenseits der einfachen und etwas selbst gefälligen Betrachtung von Fotos und der vorschnellen Einteilung auf den ersten Blick, gibt es viele ausgesprochen "bunte" Fotos, die schön sind und eine hohe gestalterische Qualität haben.
Was eventuell mit dem abwertenden "bunt" gemeint sein könnte ist die Zusammenstellung von Farben. Es ist wie beim Essen. Wer immer stark salzig ist, wird keine Freude an salzloser Kost haben können. Denn das geht nicht zusammen. Diejenigen Eigenschaften, die ein Foto als "gut" erscheinen lassen, sind ebenso unterschiedlich und abhängig von den Maßstäben. Solche "Maßstäbe" entstehen durch Vergleiche, die wir unbewusst aus unserer Lebenswelt entwickeln. Fotos in den Medien geben uns vor, wie ein Foto auszusehen hat. Wer immer wieder Bilder von herrlichen Sandstränden, türkisfarbenem Wasser und tiefblauem Himmel sieht, möchte solche Farben auch in seinen eigenen Fotos wiederentdecken. Nicht nur das Bild eines Strandes, auch die Farben stehen für "Urlaub in der Ferne". Dagegen, ein Strand an der Ostsee wird weitaus blasser im Foto wiedergegeben. Der Strand ist nicht tief ockerfarben, die Ostsee wirkt eher grau und der Himmel sieht nicht selten eher ausgebleicht aus, mit einem kleinen Anflug von blau. Das hat wenig mit Exotik zu tun. Um dann doch zu satten Farben zu gelangen, haben viele Kameras mehrere mögliche Farbeinstellungen. Die ab Werk kameraseitige Einstellung einer deutlichen Erhöhung der Sättigung ist sehr beliebt bei den Herstellern. Und der Verkaufserfolg gibt ihnen, den Kaufleuten, recht. Gerade die Hauttöne werden zumeist recht ansehnlich verändert.
Doch manches Mal geht die satte Farbigkeit gründlich daneben. Ich sah so etwas in der vergangenen Woche. Ein Foto von einem Einfamilienhaus. Das Haus in der Sonne mit einem tief gesättigten, rötlich braunem Dach, wie man es als Farbe von Schuhleder kennen kann, einem kräftig roten Sonnenschirm mit purpurnen Farbstich, einem Grün, das den Blättern eines im Schatten stehenden, tiefdunklen Gummibaums gleicht und einem hellblauen Himmel, der als Bonbonfarbe einem Strampelanzug für Wickelkinder nahe kam. Und das ist das Problem mit einem solchen Bild: Keine Farbe kam der Vorstellung von jener Realität nahe, die wir von den Objekten erwarten, das heißt, alles wirkte unreal. Schon die Wahl der Vergleiche in meiner Beschreibung verdeutlicht den Vorgang: wir vergleichen Farben, wenn wir einander erzählen möchten, wie etwas aussah. Das heißt, wir haben alle eine Vorstellung von der Welt und wie die Dinge darin auszusehen haben. Was wir bei den uns vertrauten Dingen nicht wiedersehen wie gewohnt, das erscheint irreal. Es wirkt befremdlich und nicht exotisch. Übersättigte Farbeinstellungen geben etwas von dem verträumten Wunsch wieder und zugleich zerstören sie das Bild des Realen noch mehr. Nun sind jene Fotos, die uns als Vorbilder für den Urlaub in Katalogen oder dem Fernsehen begegnen alle überhöht, das heißt ins Irreale gesteigert, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das gilt unisono für alle Werbefotos. Doch es ist wie bei stark gesalzenem Essen - man gewöhnt sich daran. Nur, wie die Natur schmeckt, das muss man sich erst wieder angewöhnen, gegen den Widerstand des eigenen geformten oder verformten Geschmacks.
Ebenso ist es mit dem farbigen Sehen. Den bildlichen Vorbildern nachzueifern gelingt eigentlich nur dann, wenn die Realität genau gekannt wird, um diese dann zielgerichtet zu überhöhen. Das heißt für viele Kompaktkameras: die Sättigung um wenigstens eine Stufe herab zu setzen, am besten auch gleich die vorgegebene Schärfe verringern, und sich dann die Bilder ansehen. Was passiert? Fast alle Bilder sehen in ihren Farben harmonischer aus, weil ihr reales Farbgleichgewicht stimmt. Man sollte zumindest mal den Vergleich wagen, also ein Foto mit den vorgegebenen, werkseitigen Einstellungen und eines mit reduzierter Farbigkeit wagen und - ganz wichtig - es auch ausdrucken.
Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.