Der "Sucherblick" macht den Unterschied

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Gastbeitrag
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Immer wieder beobachte ich Leute beim Fotografieren. Ich will gar nicht hinsehen, aber einerseits machen Erwachsene um ein Gruppenfoto recht viel Aufhebens - "stellt Euch mal zusammen! Achtung Aufnahme! Das Kind, wo ist es? Das soll auch drauf! Komm her, ich sagte komm her!..." - und andererseits sind die Gruppenbilder spontane Schnappschüsse, die so nebenbei passieren. Das sind sie schon, die Gegensätze: die gestellten Bilder mit geordneten Beziehungen - wer steht mit wem zusammen - und die möglichst "natürlichen" Aufnahmen ohne ordnende Hand. Sicherlich, selten sind Fotos ohne das Bewusstsein entstanden, dass eine Kamera anwesend ist und schon deshalb wird posiert.

Gibt es beim Fotografieren einen Unterschied? Wenn ich das wie oben beschreibe, möchte man meinen, Ja. Auf der einen Seite die zusammen gestellte Gruppe von Personen, samt Kind und Kegel, mit Hund und Gummiboot, auf der anderen Seite der Gegensatz, Fotos mit dem geringsten Aufwand, die Schnappschüsse.

Etwas stimmt bei der Gegenüberstellung allerdings überhaupt nicht. Von der Sorgfalt eines geordneten Gruppenbildes ist bei genauem Hinsehen üblicherweise an vielen kleinen Dingen recht wenig erkennbar, wie es nur selten gelingt Spontanität ins Bild zu setzen. Beiden Situationen ist gemeinsam, dass ein Ziel verfolgt wird. Beiden gemeinsam ist die Bedeutung einen Ist-Jetzt-Zustand festzuhalten. Auf dieses Ziel, darauf konzentriert sich die Bildsprache selbst dann, wenn dem Fotografen, der Fotografin, kein einziger Gedanke in den Kopf gekommen ist. Mit solchen Aufnahmen wird dokumentiert - das Ereignis und die Menschen. Es ist die häufigste Anwendung für eine Fotokamera. Das digitale Erzeugen von Bildern kommt dem Wunsch nach Dokumentation entgegen (Festhalten des Augenblicks). Der Beleg: Anschließend steht man zusammen und versucht einen Blick auf den Monitor zu bekommen, einen Blick auf ein Bild oder die Bilder zu werfen, die das Ereignis festhielten. Natürlich möchte niemand auf Fotos von einer Party "dumm" in die Kamera gucken. Besonders dann nicht, wenn man (wieder) nüchtern ist. Aber angemessen sollte ein Bild sein, dem Ereignis entsprechen. Wir wollen die Kontrolle über unsere Bilder behalten, nicht perfekt immer und überall, aber auch nicht unwissend bleiben, wann und wo wir fotografiert werden.

Wie kommt man als Fotograf aus der Falle der Verantwortung heraus, bleibt selbst bei Spaß und guter Laune und macht trotz dessen die passenden Foto? Bezahlte Fotografen vor Ort haben es leichter. Diese betrachten das Geschehen und machen sich ihre Gedanken und berücksichtigen die Verwertbarkeit ihrer Fotos, suchen den angemessenen Rahmen für jedes Bild. Doch als Hobbyist? Sehen wir uns die Voraussetzungen an.

Warum verhalten sich diejenigen, die die Kamera in der Hand halten nicht grundsätzlich umsichtig und vorausdenkend? Weil man als Fotograf oder Fotografin am Gruppengeschehen beteiligt ist. Gute Laune und Spaß sollen nicht abhanden kommen, nur weil man Fotohandy oder Digicam in Händen hält. Und die anderen erwarten das auch. Doch leider sind beiläufig entstandene Fotos nur zufällig gute Fotos. Erst wenn man sich aus der fröhlichen oder festlichen Umgebung lösen kann, ganz bei der Aufgabe ist ein Foto zu gestalten und die Technik bedient, nur dann wird aus dem "Knipps" auch ein Bild. Ach ja? Das möchte ich hier schon mal anmerken. Zeigen, so mag man verallgemeinern, zeigen nicht tausende von Fotos an jedem Tag, ob vor zwanzig Jahren auf Filmstreifen oder sobald die digitalen Bilder im Fotolabor auf Papier erscheinen, wie gedankenlos geknippst wird? Ohne Rücksicht auf jene Bedingungen, die das Medium "Foto" setzt? Für Bilddokumente mag das spontane Fotografieren reichen, doch aufbewahrt werden die wenigsten. Spontan entstandene Fotos sind eben nur sehr selten "angemessen". Je jünger die Gruppe, desto weniger kritisch, je älter, um so selbstbewusster werden Fotos im Nachhinein beurteilt. Und der Fotograf oder die Fotografin ist schuld. Bei bestimmten Leuten eingeladen möchte man einfach keine Kamera mitbringen.

Die Kritiker haben recht, die Schuld liegt ganz allein bei denjenigen, die auf den Auslöser drücken. Und weil das so ist, suchen gerade die Älteren dem Vorzubeugen mit diesem Typischen und Albernen: "Hier kommt das Vögelchen!". Das ist in den meisten Situationen dermaßen abstrus, da muss man lachen. Kinder und Jugendliche agieren vor der Kamera situationsbezogen. Sie wissen sehr wohl was da geschieht und das man lachen soll, manchmal bis zur Albernheit, worin sie Seniorengruppen recht ähnlich werden. Oder ist es umgekehrt, die Senioren den Kindern?

Die Falle der Verantwortung schnappt im entscheidenden Augenblick zu und ist in diesem Moment trotzdem recht leicht zu umgehen. Man muss es mal üben. Dann kann einem nicht mehr viel daneben gehen. Die Automatiken haben die Gefahr gänzlich falsch belichteter Aufnahmen gebannt, doch der Moment des Auslösens wird gehandhabt, als habe es die letzten hundert Jahre nicht gegeben. Hier fehlt die Medienkompetenz, sobald man hinter dem Objektiv steht.

Und wie geht das nun besser? Grundsätzlich und immer wird vor jeder Aufnahme ein Mal um den Rahmen des Sucherbildes herum geblickt. Mit den Augen wird der Randbereich abgesucht. Das dauert etwa zwei Sekunden. Was wird angeschnitten und was ist nicht mit im Bild? Am wichtigsten ist, was nicht "mit drauf" sein sollte. Gerade der übliche, spontane Blick in die Bildmitte von Sucher oder Display verhindert, dass man ein Foto als ganzes erkennt. Man muss nicht an Gestaltung und Farben denken, oder anderes berücksichtigen. Es genügt sich zu zwingen vor dem Auslösen ein Mal über den Bildrand zu fahren. Schon wird die seit der Kindheit verinnerlichte Bildsprache in uns wirksam. Bei jedem von uns. Die Bilder treffen den allgemeinen Bildgeschmack ohne unser bewusstes Zutun viel eher. Einige werden diesen Rat zurück weisen, weil das "besondere" Bild entstehen soll. Nun, das zu planen, dazu gehört die fotografische Haltung des Außenseiters und dies bedeutet, mit besonderem Blick "an die Arbeit zu gehen" und entspricht nicht der üblichen Situation. Für alle diejenigen die Teil von Spaß, guter Laune oder Festlichkeit sind, und die auch Teil des Geschehens bleiben wollen, sollte es zur Gewohnheit werden vor jeder Aufnahme und ausnahmslos auf den Sucherrand oder Rand des Display zu blicken. Machen Sie alle Aufnahmen erst dann, wenn der "Sucherblick" aktiv wurde. Das ist gemeint, wenn erfahrene Fotografen meinen, es würde viel zu schnell auf den Auslöser gedrückt.

Betrachten Sie es als eine Übung, die konsequent angewandt selbst bei Schnappschüssen ganz selbstverständlich werden kann. Dabei geht kein Bild verloren, denn danach wird deutlich weniger aussortiert und weggeworfen.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

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ihr solltet darauf achten in …

ihr solltet darauf achten in den urls keine sonderzeichen zu verwenden. das macht eine verlinken nämlich ausgesprochen schwierig :)

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