Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Das Gegenteil von heißen Sonnenstrahlen kann kühlendes Wasser sein. Viel Wasser macht nicht nur großes Vergnügen rund um den Urlaub. Es wird eigentlich nie fotografiert. Wasser ist selbst in einer Fotoserie über den Strandurlaub kaum zu finden. Ach? Klar, überall wird man Bilder vom Strand sehen und darauf ist dann auch eine Oberfläche erkennbar, von der wir wissen, dass dies Wasser ist. Genauer müsste man sagen, dass die Oberfläche aus Reflektionen das Wasser lediglich repräsentiert. Denn eine grünliche, bräunliche oder dunkelgraue Oberfläche wird erst durch die im Bild sichtbare Umgebung als Wasser erkennbar. Leichter wird die Sache immer dann, wenn man in die Tiefe blicken kann. Klares, bläuliches Wasser am exotischen Strand oder das klare Wasser in einem Schwimmbad vermitteln etwas mehr von dem, welche Gefühle mit dem Element Wasser verbunden sind, besonders an heißen Tagen.
Doch darum geht es in der Fotografie. Neben der Abbildung, die nichts anderes als eine optische Erscheinung ist, auch etwas von den Emotionen ins Bild zu holen, die mit dem Wasser verbunden sind. Das Phänomen „Wasser“ ins Bild setzen zu können.
Allerdings entzieht Wasser sich dem fotografiert werden, denn es kommt nicht klötzchenweise hervor. Es muss umfangen sein von einem Gefäß oder entschwindet im Bachlauf, während „anderes“ Wasser als das eben noch gesehene an dessen Stelle tritt. Wer das sprudelnde Wasser eines Bachlaufes fotografieren möchte, dieses erfrischend kühle, klare „Element“ - nicht physikalisch gemeint – wer den Augenblick wie auch die Eigenschaften fotografieren möchte, stellt fest, das Sprudeln und Fließen variiert unvorhersehbar. Man muss schon den richtigen Augenblick abwarten, bis die Wasserspritzer oder Luftblasen und die Reflektion der Sonne, eben die gesamte Oberfläche „fotogen“ ist.
Dabei erwischen wir uns nun selbst, wie unsere persönliche Interpretation von Wasser ins Bild einfließen soll. Nach dutzenden Versuchen wird ein Foto auf dem LCD-Monitor sichtbar, dass der Vorstellung von „lebendigem“ Wasser entspricht, wie dieses auf einem Foto auszusehen habe. Und weil es so viel Zeit und Geduld kostet und vielfach misslingt, gibt es lebendige Wasser nur selten zu sehen. Am ehesten findet sich eine Abbildung des fließende Elements bei niederstürzendem Wasser, von einem Stauwehr oder einem Wasserfall oder dem Spritzen aus einem Schlauch. Jedoch wird darin die Umgebung immer mit einbezogen. Das abgebildete Wasser ist genau genommen wieder nur Oberfläche und Effekt. Es ist die bildgewordene Repräsentanz des Elements. Es ist Teil der Gestaltung eines Bildes, wird zusammen mit anderen Objekten festgehalten.
Aber, kann man mehr fotografieren? Sind alle Fotos nichts anderes als Repräsentanten der Wirklichkeit? Nein, die Kunst der Fotografie liegt auch darin, über den ersten Eindruck hinaus jenes ins Bild zu setzen, was als „hautnah“ bezeichnet werden kann. Und die digitale Fototechnik hilft bei der Verwirklichung. Es wird leichter solche Bilder zu schaffen, was nicht heißt, dass es nun mehr davon gibt. Bei kräftiger Sonne sehen Sie auf einem Foto auch im Modus „Vollautomatik oder P“ das Wasser zu einem Augenblick eingefroren. Die kurze Belichtungszeit macht es möglich. Es ist überraschend anzusehen - wenn man ganz nah heran geht und alles weg lässt was sonst noch zur Umgebung gehört –, wie das Wasser dabei aussieht. Bei entsprechend kurzer Belichtungszeit wirkt es eingefroren im wahrsten Sinne des Wortes. Es wirkt wie klares Eis. Damit ist eines unserer vielen Gefühle von Wasser sichtbar gemacht worden, das Kühlende. Zugleich wurde auf andere fühlbare Eigenschaften verzichtet, zum Beispiel das Fließende und Zerlaufende.
Hat man eine strahlend helle Sonne, schaltet die Automatik für die Belichtungszeit ab und kann die Kamera irgendwo aufstützen, dann lässt sich eine längere Belichtungszeit realisieren. Mit einer längeren Belichtungszeit wird die Eigenschaft des ineinander fließens in das Bild gesetzt. Zwar muss wiederum lange probiert werden, aber nach einiger Übung und mithilfe des Zufalls gelingt es die Reflektionen und Wasserspritzer ansprechend festzuhalten, als unscharfer aber erkennbarer Eindruck von Wasser, es wird eine Impression. Nebenbei bemerkt: Bei solchen Versuchen sind schnell 20 Bilder gemacht und nichts scheint jemals passen zu wollen – also bitte etwas Geduld.
Doch was ist es worauf Sie im Moment der Aufnahme eifrig Wert legen sollten, um ein schönes Bild vom Wasser zu haben? Es ist Ihre Verstellung von dem was Wasser ausmacht und es ist Ihre ureigene Idee, welches Foto dem nahe kommen kann. In solchen Augenblicken entstehen Aufnahmen von denen man sagen kann, dass sich hier jemand auf ein Motiv eingelassen hat. Eine Handschrift wird im Foto sichtbar, wenn es gelingt ein Bild festzuhalten, das dem nahe kommt, was schon zuvor in der Vorstellung existierte. Bei einer solchen Herangehensweise darf man mit allem Recht sich als Fotograf oder Fotografin bezeichnen, gleichgültig welche große oder kleine „Knipskiste“ benutzt wird.
Wie fast immer geht es in der Fotografie nicht darum Bilder nachzumachen. Es kann eine schöne Übung sein – aber es gilt viel mehr die Aufmerksamkeit so weit als möglich auf das Motiv zu richten und auszuprobieren, welches Bild angemessenen ist. Wenn Sie selbst "Ja" sagen zu den im Bild festgehaltenen Eigenschaften und diese von anderen wiedererkannt werden, dann haben Sie über das sichtbare hinaus etwas gesehen und werden ihrem Motiv gerecht. Dabei ist es eher gleichgültig wie bedeutsam oder banal ein Motiv ist – es geht um die Fähigkeit ein fotografische Interpretation bewusst schaffen zu können. Niemand hindert Sie sich an „bedeutsameren“ Motiven auszuprobieren. Versuchen Sie sich bitte zuerst am Alltäglichen, was gar nicht so einfach ist, damit die großen Themen leichter gelingen. Schon im Alltäglichen und Kleinen bietet die Fotografie jedem etwas kontemplatives und philosophisches, für entspannende Stunden.
Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.