Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Da in digitalen Kameras die Software schnell und kostengünstig weiter entwickelt werden kann, führt es dazu, dass die Hersteller fortwährend „Innovationen“ anbieten. Was die Konkurrenz macht, muss in den eigenen Modellen möglichst bald auch drin sein. So wird immer wieder Neues geboten um sich von den anderen Anbietern zu unterscheiden, zumindest für ein halbes Jahr, denn so lange dauern zur Zeit die Modellwechsel. Kameras werden immer mehr mit zusätzlichen Automatiken, Programmen und neuerdings mit „Filmstyles“ ausgestattet. Doch was soll man sich darunter vorstellen? Zum Beispiel unter „Velvia“ oder „Vivid“. Nun, nur in der Theorie übersetzen digitale Kameras die Helligkeiten und Farben so wie wir diese mit den Augen sehen. In der Praxis gibt es diese 1:1 Übertragung auf die Bilddaten nicht. Denn ein Bildsensor muss die Vielfalt der natürlichen Helligkeiten und Farben zumeist auf weniger Informationen eindampfen, damit die großen Kontraste (Unterschiede) im Foto bewältigt werden.
Dazu wird die theoretisch lineare Gradationskurve (1:1), eine in 45 Grad ansteigende Gerade, verbogen. Für die Schatten und die Lichter ist fast überall in der Kameratechnik eine flache Kurve vorhanden. Es sieht aus wie ein großes, kursives "S", das oben und unten eher gerade ausläuft und in der Mitte schräg nach rechts ansteigt. Es bedeutet, nur in den mittleren Bereichen der Belichtung werden die Helligkeiten und die Farben aus der Natur mit recht ähnlichen Kontrasten wiedergegeben. Für eine naturnahe Anmutung auf einem Foto reicht das aus. Schatten und Lichter sind dagegen deutlich weniger natürlich. Es ist viel eher eine nur messtechnische Angelegenheit. Dem Auge fällt dieser Eingriff in die natürliche Wiedergabe nicht so schnell auf.
Will man die Farben deutlich kräftiger haben - viele Leute lieben das, besonders in den Vereinigten Staaten – kommen die Hersteller dem Kundengeschmack entgegen und erhöhen die mittleren Kontraste. Die Gradationskurve wird in den mittleren Bereichen steigen. Damit bleiben die Schatten und Lichter von einer zusätzliche Sättigung verschont, denn das würde recht künstliche Farben im Foto erzeugen. Einer Anhebung der Sättigung, wie diese jede Bildbearbeitung bietet, wäre dem gleich. Mit einer „aufgestellten“ Gradationskurve - so heißt das - werden die Mitteltöne lebendiger, kurz „vivid“. Allerdings, nicht jedes Bild verträgt eine übersteigerte Farbigkeit. Doch das ist auch eine Geschmacksfrage. Zumindest eine überwiegende Mehrheit liebt bunte Fotos mit möglichst kräftigen Farben.
Eine andere Art der Beeinflussung der Gradationskurve ist defiziler. Da die Übersetzung der natürlichen Helligkeiten und Farben letztlich von der Software einer digitalen Kamera gesteuert wird, haben die Hersteller viele Möglichkeiten. Bei den Kameratests fällt es immer wieder auf, welche farbigen Eigenheiten den Kameras mitgegeben werden. Dazu dienen die Farbtafeln. In den letzten zwei Jahren bevorzugen alle Hersteller bei den Grundeinstellungen der Kameras deutlich neutralere, als noch in 2005. Doch diese Farbabweichungen waren zu den Zeiten der Filme selbstverständlich. Die extrem „knackigen“ Farben der Diafilme vom Typ „Kodachrome“, die kühlen Farben der „Fujichrome“ der achtziger Jahre oder die Eigenheiten in den Rottönen gerade bei den Hautfarben, wie diese von „Agfa“ geboten wurden, boten eine große Auswahl mit welchen Filmen bestimmte Effekte möglich wurden. Für quasi jeden Zweck gab es geeignetes Filmmaterial. Zum Beispiel gab es und gibt es auch heute spezielle Filme für die Porträtfotografie.
Die Charakteristiken von Filmen, beispielsweise des Materials namens „Velvia“ wird nun in digitalen Kameras simuliert. „Filmstyles“ sind also nichts anderes als festgelegte Voreinstellungen, wie die Bilddaten in eine bestimmte Richtung beeinflusst werden. Es handelt sich um Filterungen, die absichtlich von den Grundeinstellungen abweichen. Jedoch hat die Auswahl von Filmstyles einen Haken. Wenn die Unterschiede zwischen „Kodachrome“ und „Velvia“ nie aufgefallen sind, oder diese Filme nicht benutzt wurden oder überhaupt nie mit Filmen fotografiert wurde - was im digitalen Zeitalter zunehmend der Fall ist - dann nutzt die Auswahl solcher Filter nichts. Was soll ein Anwender mit diesen Angaben anfangen? Genau genommen kann man sich mit den Einstellungen nichts konkretes vorstellen. Zusätzlich: Jede nachträgliche Bildbearbeitung zerstört die „Filmstyles“, und sei es nur die Korrektur der Helligkeit.
„Fimstyles“ sind in der Praxis vor allem „Knöpfe zum Herumspielen“. Die Hersteller von Kameras bieten letztlich überflüssige Variationen ihrer werksseitigen Kameraeinstellungen. Das macht sich gut bei der Aufzählung von Verkaufsargumenten und beeindruckt die unbedarfte Kundschaft - was wohl der Hauptzweck ist. Man sollte sich davon gar nichts versprechen und vor allem kein zusätzliches Geld ausgeben, wenn eine teurere Digitalkamera als Mehrwert lediglich „Filmstyles“ bietet.
Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.