Macht Fotografieren jünger?

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Gastbeitrag
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Dass die digitale Technik ein System ist und damit der Kauf einer Digitalkamera meist nur den Anfang einläutet, erinnert an die Modelleisenbahnen. Mit dem Einstiegsset immer nur im Kreis zu fahren wird bald langweilig. Also fragt man sich auch in der Fotografie: werden Fotos besser durch Erweiterungen, sprich neuer oder weiterer Technik? Dazu kann es keineswegs eine einfache Antwort geben. Fotografieren ist seit jeher ein Zusammenwirken von höchst unterschiedlichen Geräten und die Anwendung jedes dieser Geräte bedeutet immer, völlig neue Aspekte kennen zu lernen, die weit weg sind von der Aufnahmetechnik. Die Kamera in der Hand sagt nichts über die Fähigkeit ein Motiv zu sehen oder dieses in einem Bild festzuhalten. Aber der Reihe nach.

Eine Kamera ist der Anfang. Wer sich fragt, was man an den eigenen Aufnahmen besser machen kann, wer interessanter und spannender fotografieren möchte, wird sich darauf einlassen müssen, die vielen Seiten der Anwendung einer Kamera kennen zu lernen. Natürlich, so etwas wie "Schule" möchten sich viele nicht antun. Wer liest darüberhinaus diese vielfach entsetzlichen Kamera-Handbücher der Hersteller, noch dazu, da sie üblicherweise nur als Datei für den Bildschirm mitgegeben werden?

Das ist die Marktlücke für jene dicken Wälzer für viel Geld, in denen schon mal auf fünf oder zehn Seiten lediglich zu lesen ist, wie einfach doch alles mit diesem oder jenem bestimmten Kameramodell sei. Auf den Punkt bringen die Autoren zumeist nur jene Bereiche, in denen bestimmtes Zubehör zur Kamera als unbedingt nötig angepriesen wird. Über 300 Buch-Seiten und am Ende stellt der Leser fest, dass eigentlich nur Verkaufsförderung für eine bestimmte Marke betrieben wurde. Typische Titel sind "Das große Handbuch der Kamera XYZ". Das sind Bücher die üblicherweise in Serie produziert werden. Manche Autoren werfen jedes Jahr ein halbes Dutzend davon - zu verschiedenen Kameras der großen Hersteller - auf den Markt und wiederholen darin ihre Fotos. Was empfiehlt denn nun ein solcher Autor, dieses oder jenes Kameramodell? Sind die abgebildeten Fotos mit dem beschriebenen Modell entstanden? Von wegen. Viele Fotos wurden erkennbar noch mit Film gemacht, dies ist den Archiven dieser Autoren zu entnehmen.

So hatte ich hier bei dkamera.de schon mal auf das Buch eines Fotografen und Autors hingewiesen, der unabhängig von Marken ein kleines aber feines Handbuch schrieb, das weiterhin aktuell ist: Tom Ang „Fotografie“, erschienen im Verlag dk (es ist relativ preiswert). Wer ganz konzentriert nur die digitale Technik im Blick haben möchte, findet in seinem Handbuch „Digitale Fotografie“ vom selben Verlag keineswegs nur eine Wiederholung von Aufnahmen oder des Inhalts. Der Leser erhält schon beim Herumblättern viele Anregungen und selbstverständlich kurz und knackig geschriebene Tipps und Hilfen zu fast allen Aufnahmesituationen, wie auch zur Bildbearbeitung.

Man schaut sich schon mal um, besonders im Internet, welch kleine, nützliche Hinweise es da und dort gibt. Man möchte wissen, wie andere fotografieren, zum Beispiel hier im Forum von dkamera.de. Das gibt neue Impulse. Nichts kann die Nähe zu anderen Fotografierenden ersetzen, die anregende Diskussion über Bilder und jene dabei gemachten Erfahrungen. Das Internet verbindet, denn Foren sind wie Stammtische über eine große Entfernung. Ob Dingelfingen, Kiel oder Jena, alle Orte rücken näher zusammen. Denn wie man als Mensch etwas sieht und was eine Kamera daraus macht ist eigentlich überall die grundlegende Frage, der sich alle immer wieder neu stellen.

Schnell kommt man dahinter, dass die Technik nicht so wichtig ist, wie die Gestaltung eines Bildes. Denn selbst die beste Technik erreicht ihre Grenzen früher als gedacht, während der Blick durch den Sucher oder auf das Display fällt. Viele bekannte und berühmte Aufnahmen haben bei näherem Hinsehen deutliche technische Mängel. Doch das stört niemanden, so lange in einem Foto eine Geschichte erzählt wird. Eine Geschichte, die uns interessiert. Das Bildverständnis steht am Anfang. Von Kleinauf und unbewusst lernen wir, sich der allgemeinen Bildsprache zu bedienen. Doch für Erwachsene erfordert es neue Aufmerksamkeit, ja eine gewisse Anstrengung und manches mal auch einen freundlichen Schubs. Die Kamera hilft dabei in Ausschnitten zu sehen. Sie hilft sich zu fragen, was ist das Bedeutsame an einem Motiv. Wieso kann unsere nahe Umgebung interessante Dinge enthalten, von denen wir glaubten, diese schon längst zu kennen? Es liegt auch daran, dass erwachsene Menschen mit viel weniger Aufmerksamkeit auf all jenes sehen, das ihnen bereits bekannt scheint. Wo kleine Kinder mit großer Aufmerksamkeit hinsehen, übersieht ein erwachsener Mensch schnell die kleinen Details. Weil Kinder mit mehr Konzentration in die Welt sehen, für sie eigentlich alles immer wieder neu und anders scheint, gewinnen Kinder gegen Erwachsene jede Runde beim Spielen von "Memory".

Erst an unbekannten Orten und in neuen Situationen, beispielsweise im Urlaub, wird eine beeindruckende Lichtstimmung erkannt. Der fremde Ausdruck in einem Gesicht, die besondere Farbigkeit einer Szene oder eine eigentümliche Architektur. Dann wird die Kamera gezückt. Aber man findet sich schnell wieder im bekannten Trott. Jedes Foto wirkt wie das andere. Wem das passiert, der oder die wird alt. Der Blick durch den Sucher oder auf das Display kann dabei helfen, altbekanntes neu zu entdecken, mit jüngeren Augen zu sehen, oder sogar jung zu bleiben. Der Schubs mit einer anderen Kamera mag dabei helfen, weil jede neue Technik auch mehr Konzentration verlangt. Denn schon ein ungewohntes Sucherbild kann alles etwas anders - ja sogar fremd wirken lassen.

Für "das neue Sehen" kann auch ein eigener Drucker hilfreich sein. Wie unterschiedlich können kleine und große Bilder doch wirken? Mit einem eigenen Drucker ist man viel schneller beim Experimentieren. Mal wirkt eine Aufnahme als kleiner Ausdruck besser, mal wird ein Motiv erst als größerer Ausdruck interessant. Und ganz nebenbei, fragt man sich schon während einer Aufnahme: groß oder klein? Der Anfang zu "neuem Sehen" ist gemacht.

Mit einem eigenen Drucker bieten sich viele Möglichkeiten. Ob ein Bild heller oder dunkler besser wirkt oder beispielsweise ob mehr oder weniger Kontrast einem Bild nützt? Der selbst gewählte Beschnitt kann Fotos zu mehr inhaltlicher Dichte verhelfen. Statt viele Dinge zugleich und nebeneinander im Foto zu zeigen, wird die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die entscheidenden Details gelenkt. Und schnell ändert man etwas an den Farben oder versucht sich an unterschiedlichen Rändern. Vielleicht nimmt man sogar ein anderes Fotopapier mit unbekannter Oberfläche, denn Hochglanz ist nicht für alle Aufnahmen die beste Wahl. Kurz: Die Beschäftigung mit den Ausdrucken schärft die eigene Fähigkeit zur Bildkritik und erweitert die Kenntnis der Möglichkeiten. Das gilt auch für die technische Umsetzung, man erhält ein besseres Gespür für das Wesentliche in einer Aufnahme, gibt mithilfe einer Nachbearbeitung seinen Bildern jene Individualität, von der andere sagen, dass man einen eigenen Stil habe.

Es geht in der eigenen Fotografie mit den Veränderungen ganz langsam los. Nach längerer Anlaufphase nimmt der Erfolg von mal zu mal zu. Der Knoten ist irgendwann geplatzt und das Grundsätzliche in der Fotografie verstanden. Damit wächst die Selbstsicherheit und die Fähigkeit wächst zu entscheiden, was an einem Foto gefällt. Man hat wirklich Neues gelernt und die ganze Welt wird interessanter. Dem kann in der Fotografie wohl jeder und jede zustimmen.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

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Anders (jünger??) fängt an zu …

Anders (jünger??) fängt an zu fotografieren, wer endlich den alles entscheidenten Einfluß des Lichtes begriffen, zu sehen und zu beachten gelernt hat. Darum heist`s ja FOTOgrafie! Wäre es von der Kamera oder anderen höchst unwesentlichen Spielereien abhängig, hiese es wohl KAMERAgrafie. Und Fotografen würden zu KAMERAden...
Und: Was sind die Wirkmechanismen eines Fotos, wie "arbeiten" eigentlich meine Augen (meist unbewußt) ein Bild ab? Wie erfasse ich es?
Das bedeutet, sich auch mit den Grundregeln der Fotografie zu beschäftigen und nicht nur in der Gegend herumzuknipsen. Wer das erkannt hat, beschränkt sich auch wieder auf das Wesentliche und guckt genauer hin - aber macht das jünger?

Für mich hält die Fotographie …

Für mich hält die Fotographie den Geist jung.
Mit jung meine ich, dass man angeregt wird aufmerksamer durchs Leben zu gehen und einen anderen Blick auf die Dinge zu werfen.
Wenn ich im Moment eine schönes Motiv entdecke, dann denke ich nicht nur daran es aufzunehmen, sondern gleich auch daran wie es wohl später am Bildschirm wirken würde, wem ich das bild später zeigen könnte, weil er sich darüber freue, und vieles mehr.
Ich beschäftige mich in diesem Augenblick also nicht nur mit der Aufnahme, sondern es wird eine ganze denk- und assoziationskaskade abgerufen.
Deshalb hält aktive Fotographie meiner Meinung nach den Geist fit.

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