Eine herbstliche Lichtstimmung fotografieren

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Gastbeitrag
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

In der Praxis sieht alles anders aus - wer Fotobücher liest, um hinter die noch unbekannten Seiten der Fototechnik zu blicken, mag das manches Mal denken. Wie kompliziert alles werden kann, wenn auch nur eine einzige Automatik ausgeschaltet wird. Oder liegt es an der fehlenden Anschaulichkeit? Probieren wir das schwierigste Thema zu verstehen, das die Fotografie bereithält: Die Lichtstimmungen. Das Thema könnte allerdings genau so gut heißen: Die Täuschungen beim Sehen von Farben. Denn das macht es so schwierig die schönen Motive einer herbstlichen Lichtstimmung im Foto einzufangen. Wer einfach nur auf den Auslöser drückt ist häufig genug nur erstaunt, wie stimmungslos ein Foto bleiben kann. Und man ist geneigt dies seiner Kamera anzulasten. Kameras machen was sie sollen, durchschnittlich gute Bilder. Die Feinheiten von Lichtstimmungen erkennen sie nicht.

Was wird getäuscht? Es ist die Art, wie wir Farben erkennen. Da unser Gehirn die Farben "korrigiert", ohne das wir dies bemerken, ist der Unterschied zwischen dem was wir sehen und dem was die Kamera aufnimmt manches mal ganz erstaunlich anders. Allerdings können wir Menschen uns Farbnuancen gar nicht merken. Wir können uns aber daran erinnern, ob der Pulli (unser eigener) grün oder braun war. Die Farben anderer Pullis merken wir uns nicht wirklich. Farben merken zu können ist eine menschliche Schwachstelle. Es ist schon daran erkennbar, dass uns eine Sprache für die genaue Beschreibung von Farben fehlt. Sprechen wir über Farben, dann ganz pauschal. Wir ziehen Vergleiche. Wir sprechen von tannen-grün oder zitronen-gelb, was immer dies in der Vorstellung anderer Menschen sein mag.

Die am meisten störenden Farben in einem Foto, die grünlichen Schatten, werden schon bei der Aufnahme nicht erkannt. Dafür muss der Unterschied von dem was wir meinen zu sehen und dem was die Kameratechnik sieht überwunden werden. Gelingt es ein Mal, wird es künftig leichter, sich nicht mehr so leicht täuschen zu lassen. Dem Ziel, Lichtstimmungen so wieder zu geben, wie wir diese gesehen haben, ist man ein Stück näher gekommen.

Wie kann man sich vorbereiten? Das herbstliche Wetter mit den häufigeren, schnellen Wechseln aus Wolken und direktem Sonnenlicht macht ein kleines Experiment, eine Übung möglich. Wir nutzen die Trägheit mit der wir Menschen sehen. Wir warten auf kleine, wandernde Wolken, dazwischen kurze Phasen des direkten Sonnenscheins und wichtig, die Farbe Grün. Wald, Wiese, Hecke, irgendetwas Grünes. Denn von allen Farben können wir Menschen nichts so gut unterscheiden wie die Nuancen der Grün-Farben. Was noch? Es muss verstanden sein, worum es geht. Noch fehlt die Theorie, die wir überprüfen: Wir Menschen können bei Tageslicht den Wechsel der Farbtemperatur ebenso gut erkennen, wie dies die Technik des Weißabgleichs einer Kamera kann. Was wir nicht überprüfen können, weil uns die Fähigkeit fehlt und damit die Sprache, welche Farbtemperatur wir sehen. Sie selbst sind nun zugleich das Versuchskaninchen und ein Beobachter, das den Wechsel einer Farbtemperatur bewusst erleben kann.

Doch was nochmal ist "Farbtemperatur"? Es ist der Wechsel zwischen den verschiedenen blauen und roten Farbanteilen des "weißen" Lichtes. Je nach Sonnenstand, selbst unterhalb einer geschlossenen Wolkendecke, werden die Farben eines Fotos dabei stark verändert. Mittags ist der blaue Anteil des Lichtes hoch. Aber Abends, bei einem gut erkennbaren Sonnenuntergang, erkennen wir das rötlich-gelbe Licht, in das alle Motive getaucht werden. Gibt es eine dichte Wolkendecke, dann sind die Farben ebenso verändert, aber wir bemerken es nicht. Doch wird von einer Kamera die Farbtemperatur nicht richtig gemessen, dann entstehen unschöne Farbverschiebungen und jede Lichtstimmung ist verschwunden. Die Schwachstelle der Technik des automatischen Weißabgleichs ist das richtige Messen des "warmen" Tageslichts am frühen Morgen und späten Abend, wegen Glühlampen und Kerzenschein. Das funktioniert nicht gut. Noch schlimmer. Entstehen Farbverschiebungen in einem Teilbereich eines Bildes, dann werden diese von keiner Kamera erkannt und korrigiert, obwohl dies vielleicht nötig wäre. Jeder Automatik sind Grenzen gesetzt. Das besondere einer Sache, die Lichtstimmung liegt außerhalb der Möglichkeiten von Technik. Denn die Kameratechnik interessiert sich nicht für das was uns als Fotografen wichtig ist. Blaue Schatten im Schnee, grünliche Schatten trotz Sonnenlichts, bräunlich verwaschene Farben unter einer Wolkendecke... Wer die Lichtstimmungen sehen kann hat die Qual der Wahl, erhält auch alle Möglichkeiten die Farben eines Fotos selbst zu bestimmen.

Sehen wir was passiert, wenn die Sonne immer mal wieder zwischen den Wolken heraus kommt und wieder verschwindet. Dies ist ein grundsätzliches Problem, quasi das tägliche Brot der Fotografie. Und nun zurück zum Experiment. Die Farbe Grün bleibt im Blick - wir sehen einige Zeit auf eine bestimmte Stelle und warten den Wechsel des Lichtes ab. Bei jedem Wechsel wird das Grün deutlich verändert. Sahen wir auf eine Wiese, die im Sonnenlicht ein ganz bestimmtes Grün hatte, dann wird, sobald die Sonne von einer Wolke verdeckt ist, dieses Grün blauer. Grün wird "kälter", so heißt es, sobald der blaue Anteil des Lichtes höher wird. Dies geschieht, da der wolkenfreie Bereich des Himmels mit seinen blauen Anteilen nun das Hauptlicht wird. Ein automatischer Weißabgleich würde die Farben ungefragt korrigieren. Aber auch alle anderen Farben im Bild würden an die neuen Farbtemperaturen angepasst oder verändert. Was wir beim Lichtwechsel sehen konnten, war die plötzliche Veränderung des Grünen. Und was wir nur in diesem Moment erkennen konnten, weil ein Vergleich da war: Eine zuvor deutlich gelbe Wiese. Dass unsere Beobachtung stimmt wird sichtbar, sobald die Sonne hinter einer Wolke wieder hervor kommt. Das bläulichere Wiesengrün wechselt wiederum nach grün-gelber.

Prinzipiell können Sie diese Seherfahrung auch anderswo machen. Wenn Sie in einem dunklen Zimmer im Wechsel zweier unterschiedlicher Leuchten - beispielsweise Glühlampe und Neonlicht - eine weiße Wand betrachten, dann ist es erschreckend wie heftig die Unterschiede des Weißen sein können, wie stark dies von den Lichtquellen beeinflusst ist. Zuvor waren die originären Farben einer Beleuchtung uns ganz selten oder nie aufgefallen. Unser Sehen korrigiert Farben in eine Richtung, die die vertrauten Objekte als "richtigfarben" wiedergibt. Aber was ist richtigfarben? In jedem Licht anders! Es geht nicht um die "eine" Farbe. Es geht um das zueinander aller Farben. Allerdings sind Farben nie reine Farben. Es sind immer Mischungen. Diese verändern sich in verschiedenem, farbigen Licht unterschiedlich stark. Deshalb wirken Farben unter bestimmten Lichtbedingungen nicht alle gleich deutlich verändert, besonders das Zueinander wird verschoben. Hauttöne werden im Licht von Leuchtstoffröhren eigentlich nie gut aussehen.

Was Sie nun machen können um ihre Beobachtungen festzuhalten: Nehmen Sie eine Kamera und schalten Sie den automatischen Weißabgleich ab. Wählen Sie im Menü stattdessen die manuelle Einstellung von "Sonne" oder "Wolken" oder etwas ähnlichem. Fotografieren Sie den Wechsel des Lichtes immer auf der selben Stelle und sehen Sie sich die Bilder an. Selbst auf einem farblich ungenauen Display ist beim Hin- und Herspringen zwischen den Aufnahmen der Wechsel der Bildfarben gut erkennbar. Von Bild zu Bild werden ganz andere grüne Farben sichtbar. Und welche ist die richtige? Es gibt keine Regel. Kommen in einem Foto mehrere Farben zusammen, dann entscheidet das farbige Gleichgewicht aller Farbe darüber, was Sie und andere als "natürlich" empfinden. Was Sie in Fotos festgehalten haben: Lichtstimmungen einer Wiese, oder die einer Hecke oder etwas anderem, das Ihnen für das Experiment diente.

Aber häufig genug entsteht beim Eingreifen einer Automatik ein großer Unterschied in der Lichtstimmung. Doch gerade die herbstlichen Stimmungen leben von den "kleinen" Unterschieden. Ob der von einer Wiese aufsteigende Nebel eine leicht gelbliche oder eine kühle Anmutung hat entscheidet darüber, wie eine Aufnahme wirkt. Haben Sie eine bestimmte Lichtstimmung gesehen, dann ist das nichts anderes als eine farbige Grundstimmung, die durch einen automatischen Weißabgleich wohl besser nicht "korrigiert" werden sollte. Eventuell, wenn man sich nicht entscheiden kann, sollten mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Einstellungen des manuellen Weißabgleichs entstehen.

Was in dieser Stelle von einigen Lesern und Leserinnen sicherlich erwartet wird: im RAW-Format einer Kamera kann der Weißabgleich nachträglich bestimmt werden. Das stimmt, ist aber zugleich eine weitere Fehlerquelle. Wer am Monitor den Weißabgleich nachträglich festlegt sollte ein gut eingestelltes Gerät verwenden, denn sonst weichen die Farben des Ausdrucks davon stark ab. Schließlich wird in einer Bildbearbeitung von RAW nicht nur der Weißabgleich festgelegt, sondern auch die anderen Farbgewichtungen bestimmt. Was viele überhaupt nicht wissen: Üblicherweise werden die RAW-Bilddaten von einer Bildbearbeitung bereits vorverarbeitet. Man sieht also die originalen RAW-Fotos schon gar nicht mehr. Und viele Digicams können keine RAW-Formate generieren. Das ist aber nicht wirklich schlimm. Das Zueinander der Farben wird beim manuellen Farbabgleich meist besser bestimmt, als dies auf einem schlecht eingestellten Monitor möglich ist. Und Erfahrung gehört beim Arbeiten mit einem Monitor zum Handwerk dazu, sonst werden es keineswegs bessere Bilder als mit einer Kamera im JPEG-Format.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

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