Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus
Gibt es das eigentlich, dass die Sonne im Sommer ein anderes Licht bietet als im Winter? Ob man "ja", "nein" oder "vielleicht" sagt, es wird die falsche Antwort sein. Denn die Frage ist nicht richtig gestellt. Es ist nicht die Sonne, die das Licht in unserer Umwelt allein bestimmt. Es ist unsere unmittelbare Umwelt. Nehmen wir den in weiten Teilen unseres Landes nicht vorhandenen Winter. Läge Schnee, so würde das Licht der Sonne einen ganz anderen Eindruck machen, als bei den Frühlingstemperaturen. Es liegt wesentlich an der Zusammenstellung der Farben, die entstehen, sobald Licht reflektiert wird und das hat auch mit der Jahreszeit zu tun.
Schnee reflektiert nicht nur sehr stark, er sorgt einerseits für harte Schatten, zugleich gibt er die Farben des Himmels deutlich wieder – blau, gelb oder grau. Die Schatten werden im Schnee bei wolkenlosem Himmel blau, die direkte Sonne bietet dazu einen warmen, gelblichen Farbton und bei geschlossener Wolkendecke reflektiert der Schnee die Farbe der Wolkendecke besonders stark. Auf jeden Fall gibt es mit Schnee ein Licht, dass durch die vielen Reflexionen völlig anders wirkt, zumeist deutlich härter und kontrastreicher, als im Sommer. Dann kann es zwar in der direkten Sonne harte Schatten geben, doch die liegen in einer einzigen Richtung. Im Sommer, bei einer geschlossenen Wolkendecke gibt es weitaus geringere Reflexionen als im Schnee, denn die dunklere Erde, ob Wiese, Straße, Wald oder Ackerland, alles kann nicht so stark reflektieren, wie dies durch Schnee geschieht.
Damit entsteht im Sommerlicht zwischen oben und unten ein größerer Unterschied – wie ist das denn nun zu verstehen? Sehen Sie sich Ihre Sommerbilder an. Das „Oben“ erkennt man bei allen Objekten an dem deutlich helleren Licht. Nahaufnahmen von Blumen sind ein gutes Beispiel. Drehen Sie das unbekannte Foto einer Blüte nach links oder nach rechts. Oben ist da, wo das Licht herkommt. Abgesehen von speziellen, künstlichen Beleuchtungen, z.B. einem Blitzlicht, orientieren wir uns zuvorderst an der Richtung, aus der das Hauptlicht auf die Motive fällt.
In einer Schneelandschaft, also dem was wir für einen typischen Winter halten - in Hamburg wäre es eher fortwährender Regen – ist das Licht von oben eine Sache, das hell reflektierende Licht von unten eine zweite und die harten Schatten sind als drittes allgegenwärtig. Oder der Himmel ist dunkel und grau und alle Kontraste rücken im Schnee sehr dicht zusammen. Zumeist ist im Schnee da oben, wo der Schnee drauf liegt. Gibt es den nicht können Sie zum Beispiel das Foto eines Zweiges drehen und wenden wie Sie wollen. Oben ist da wo es Ihnen am besten gefällt.
Im Sommer ist das Grau ganz anders. Die Reflexionen wirken nicht so stark und nicht so weit. Man muss im Sommer schon unter einem blattgrünen Baum stehen, um ein grünes Gesicht zu haben. Im Winter bei Sonne und Schnee braucht man bloß in irgendeinem Schatten stehen und hat ein bläuliches Gesicht, das schon durch das Blau des wolkenlosen Himmels erzeugt wird.
Das es regionale Eigenheiten des Lichtes gibt, zum Beispiel über einer weiten Meeresfläche, oder bei Landschaften wie dem „Grauen Land“ in Mecklenburg-Vorpommern (nördlich von Berlin) oder in den Alpenregionen, das sind Erfahrungen, die den meisten Menschen nicht deutlich bewusst sein werden. Man staunt und kann es nicht erklären.
Also gibt es Eigenheiten des Lichtes in der Abhängigkeit von Jahreszeiten und dem Wetter. Dazu gibt es die Eigenheiten der erwachenden Natur. Nur im Frühjahr entsteht ein spezielles Grün. Und grün ist eine Farbe, die wir als Menschen besonders differenziert wahrnehmen, deutlicher unterscheidbar als alle anderen, ausgenommen die Farben der menschlichen Haut. Das zarteste Grün findet sich nur in der Jahreszeit des ersten Sprießens. Das Braun der Erde ist ebenfalls anders als bei der frisch gepflügten Erde im Herbst. Und selbst die Häuserwände sehen anders aus – wie ist das denn nun gemeint?
Hausputz ist gleich Hausputz, Beton gleich Beton, möchte man meinen. Und wie steht es mit dem Asphalt der Straße? Ist das im Frühjahr anders als im Sommer oder Herbst? Ein Beispiel: Ich sehe jetzt beim Schreiben aus dem Fenster auf eine auf der anderen Straßenseite liegende Hausfassade in den Farben von beige und braun mit weißen Fensterrahmen. Hier von meinem Schreibtisch aus ist kein Unterschied zum Licht des Sommers erkennbar. Doch stände ich nun draußen und würde die Kamera darauf richten, dann sähe ein Foto anders aus als im Sommer. Selbst dann, wenn ich um einen ähnlichen Sonnenstand bemüht wäre, würden die Farben etwas anders aussehen.
Ich schreibe dies am Bespiel eines Fotos, denn jede Kamera ist objektiver als unser Empfinden, da wir zum Beispiel das Sonnenwetter nach einer langen Periode des grauen Himmels besonders erfrischend empfinden, während die Technik ungerührt „sieht“. Also nehme ich ein Foto vom letzten Sommer zur Hand, als ich das Haus gegenüber für Testaufnahmen nutzte. Was nun ist in den Farben anders als jetzt?
Das Frühlingslicht hat nicht nur einen tieferen Sonnenstand, es ist auch noch „weicher“. Es hat einen seitlicheren Lichtfall in die Atmosphäre, also wegen des längeren Weges ist es wärmer (rötlicher) und es wird dabei stärker gestreut. Typisch für den hellen Sommer sind die harten Schatten von oben nach unten, die stärkeren Unterschiede der Farbtemperaturen und die geänderten Farben in der Natur.
Die Farbtemperaturen - genau diesen Unterschied wischen die Kameras im automatischen Weißabgleich weg. Und dann kommen noch die Drucker hinzu, die alle Farben eines Fotos noch mal neu interpretieren. Das alles macht es so spannend und so speziell eine Landschaft zu fotografieren. Das sich verändernde Licht und die Beherrschung einer Technik, die den Fotografen und Fotografinen die Früchte der Arbeit zunichte machen kann.
Tatsächlich nachvollziehbar wird mein Text dann, wenn man den automatischen Weißabgleich abschaltet und für eine Landschaft unterschiedliche Farbprioritäten setzt, in dem die Farbtemperatur mehr in die Richtung nach blau oder rot manuell verändert wird. Man sollte sich bewusst sein: Der Weißabgleich bestimmt die Gewichtung der Farben zueinander. Das lässt sich durch eine nachträgliche Bearbeitung in der Bildbearbeitung nicht mehr neu bestimmen, denn nun wurden bereits alle Farben in eine Beziehung zueinander gesetzt. Wer in einer Bildbearbeitung etwas mehr rot, gelb oder blau oder sonst was hinzu gibt oder auch nur verändert, verändert das gesamte Bild, aber nicht die Beziehungen der Farben zueinander. Die Abstände der Farben zueinander lassen sich nur vor einem Weißabgleich bestimmen.
Und das ist eine Kunst bei der Fotografie, besonders derjenigen der Landschaftsbilder: Erst mit den richtigen Farben entsteht eine speziellen Stimmung. Dann erkennen wir das typische Licht der Jahreszeit wieder und erleben die Farben im Bild so, wie diese uns vertraut sind. Das zarteste Grün des Frühlings ist dann nicht nur einfach hellgrün, sondern zart und lichtdurchschienen. Es gibt sicherlich auch zufällig optimale Farben im Bild, doch das ist eben zufällig und nicht so einfach wiederholbar.
So mancher von uns sieht dieses Grün des Frühlings - aber fotografieren? Das gelingt nur jenen, die sich intensiv dem Licht und den Farben zuwenden und sich mit der Technik beschäftigen. Und dafür sind wir denjenigen dankbar, die es einfangen und im Bild festhalten können.
Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.